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20.04.2002 00:00:00 |
8. Dezember 2001. 20. April 2002. Das sind 133 Tage. Das ist nicht viel. Nicht einmal ein halbes Jahr. Für mich ist es aber eine Spanne, die mein ganzes Leben veränderte. Es sind wenige 132 Tage, die für mich zum langen Weg zurück in die Berge geworden sind. Seit gestern bin ich wieder in meinen Bergen.
Zwischen dem Sturz mit der Querschnittlähmung vom 8. Dezember in Val d’Isère mit Tempo 110 und der Entlassung gestern in Nottwil im Rollstuhl und im Schritttempo, liegt eine Intensität, die man sonst kaum erlebt. Es ist allerdings nicht erstrebenswert, gelähmt zu sein, nur um eine intensive Zeit zu erleben. Aber die Tage in Nottwil haben mir gezeigt, dass es nicht nur eine einzige und allein richtige Art gibt, das Leben sinnvoll zu gestalten.
War es früher der Sport, und nur der Sport und allein der Sport, der mein Leben ausfüllte, dem ich mein Leben unterordnete, für den ich auf Vieles verzichtete, der wie ein geschlossener Kreis ohne Ausgang mein Dasein bestimmte und mich glücklich machte, das will ich betonen, so ist es heute anders.
Mein Horizont hat sich geöffnet. Ich habe andere schöne Dinge des Lebens kennen gelernt. Vor allem die Zeit. Nicht jene zwischen Starthaus und Zielband. Sondern die Zeit, in der man das Leben geniessen kann. Mit Freunden und Bekannten. Oder allein. Daheim oder auswärts. Auf einem Berg oder in einer Bar. Die Freunde sind mir ja geblieben.
Es sind die schönen, lustigen, geselligen Momente, die mir Freude auf die Zukunft machen. Sicher ist hin und wieder immer noch der Blick zurück. Die Frage nach dem Warum, nach dem Sinn. Das muss auch sein. Aber nach solchen Gedanken bin ich meist deprimiert und nicht erleichtert. Also muss ich mich ja nicht täglich quälen und mich zu solchen Fragen zwingen. Eine abschliessende ultimative Antwort wird es ja kaum geben.
Ein Indiz, dass mich die Zukunft mehr beschäftigt als die Vergangenheit, sind auch meine Träume. Habe ich während der ersten drei Wochen nach dem Unfall auf der Intensivstation oft davon geträumt, wie ich Skifahre und Gehe, habe ich während Olympia noch von Triumph oder Niederlage geträumt, so ist das heute vorbei. Manchmal war es so, dass ich aufgewacht bin und dachte, schön war es, wenigstens im Traum konnte ich noch Skifahren und Gehen.
Die Lähmung bringt Einschränkungen. Körperlich austoben kann ich mich nicht mehr auf den Ski oder dem Rennvelo, sondern nur noch mit dem Handybike und im Kraftraum. Und die Adrenalinschübe wie vor einer Abfahrt am Start gibt es auch nicht mehr. Fast nicht mehr. Wenn ich oben an einer Treppe mit zehn Stufen bin und gleich mit dem Rollstuhl da hinunter klappern muss, halb fahrend, halb am Geländer hängend, dann macht sich das Adrenalin schon noch bemerkbar. Aber halt nicht mehr so stark wie einst in Kitzbühel im Starthaus. Dazu würde es 20 Treppenstufen brauchen – und dann hätte ich Angst…
Viele Leute konnten nicht begreifen, warum ich keine feste Beziehung hatte als Rennfahrer.
Nun, das hatte einfach keinen Platz. Ich habe mich nicht bewusst dagegen gewehrt, aber im Unterbewusstsein muss schon etwas da gewesen sein, das mich davor bewahrte, mein Herz zu öffnen mit der Gefahr, dass das Erreichen der sportlichen Ziele in Frage gestellt werden könnte. Auch war ich mir nie sicher, ob sich ein Girl nun für mich als Menschen, für Silvano, interessierte oder sich ganz einfach an der Seite des Skirennfahrers sonnen wollte.
Diese Angst brauche ich heute nicht mehr zu haben, und das ist auch schön. Denn ich kann mich verlieben und lieben wie andere Menschen auch, aber wenn sich ein Mädchen auf eine Beziehung mit einem behinderten Mann einlässt, dann nimmt sie auch Einiges auf sich, dann muss wirklich Liebe da sein.
Vielleicht haben Sie in den letzten Wochen die grossen Inserate gesehen, wo mit einem grossen Bild von mir für die Anliegen der Behinderten aufmerksam gemacht wird. Ich habe mich gerne dafür zur Verfügung gestellt, denn viele Behinderte haben mir in den letzten Wochen auch geholf